Ständige Ausstellung

Das Museum Reinickendorf stellt in seiner ständigen Ausstellung die Bezirksgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart dar. Daneben präsentieren Themenräume die Alltagskultur vergangener Zeiten, wie altes Handwerk, bäuerliches und städtisches Leben um 1900. Weitere Ausstellungsräume stellen bedeutende Reinickendorfer Persönlichkeiten aus Kunst, Literatur und Geschichte vor. Auf dem Freigelände des Museums befindet sich ein rekonstruiertes germanisches Gehöft und ein Lapidarium.

1980 wurde das Heimatmuseum Reinickendorf in den Räumen der ehemaligen Dorfschule in Alt-Hermsdorf eingerichtet. Seit 2002 findet eine Neubearbeitung der ständigen Ausstellung statt. Zunächst wurden die Räume Vor- und Frühgeschichte und Sechs Dörfer umgestaltet. 2005 kam die Praxis Wladimir Lindenberg hinzu, 2006 das Kinderzimmer. 2010 erfolgte die Neugestaltung der Försterstube. 2011 wurde der Raum Raus ins Grüne eröffnet, 2013 der Raum Dampfloks, Bomben, Grenzanlagen – Reinickendorf im 20. Jahrhundert.

Seit 2015 trägt das Haus den Namen Museum Reinickendorf. Im November 2019 wurde als neuer Teil der ständigen Ausstellung im Kabinett des Museums Reinickendorf der Hannah Höch Raum eingerichtet, in dem in wechselnden Präsentationen mit Werken Hannah Höchs sowie Objekten und Zeugnissen aus ihrem Nachlass Einblicke in ihre Lebenswelt gegeben werden und der Erinnerung an die bedeutende Künstlerin am dauerhaften Platz Rechnung getragen wird. 2023 wurden dauerhaft Interventionen im Hinblick auf koloniale Spuren ausgewählter Objekte in der ständigen Ausstellung verankert.

Zu den Ausstellungsräumen

Historisches Kinderzimmer

dauerausstellung kinderzimmer
caption von dauerausstellung kinderzimmer

Seit 2006 hat das Museum Reinickendorf ein Kinderzimmer mit einer Sammlung von historischem Spielzeug.

Das älteste Stück ist ein Puppenwagen aus dem späten 19. Jahrhundert. Präsentiert werden außerdem eine Puppen- und eine Teddybärensammlung, die um 1900 beliebten Ruppiner Bilderbögen mit Modellen zum Ausschneiden, Lackbilder mit Blumen-, Tier- und Engelsmotiven sowie Schaukelpferde. Aus den 1920er-Jahren gibt es einen Kaufmannsladen, mit Wandregal und Ladentisch, und aus den 1950er-Jahren einen Stabilobaukasten, der damals bei den Jungen sehr beliebt war. Im Mittelpunkt der Sammlung steht eine große Modelleisenbahn, die den Bahnhof von Dalldorf (seit 1905: Wittenau) nachstellt.

Das Kinderzimmer im Museum ist sowohl ein musealer Ausstellungsraum als auch ein Spielzimmer. Ein großer Schrank mit vielen Klappen lädt Kinder zum Entdecken ein. Er enthält selbstgemachte Puppen, Fadenspiele, Stricklieseln, eine Knopfschachtel und viele andere Spielsachen, mit denen die Kinder in den 1940er- und 1950er-Jahren spielten.

Germanisches Gehöft

Germanisches Gehöft, Foto Stefanie Zwisler © Museum Reinickendorf
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Germanisches Gehöft, Foto Stefanie Zwisler © Museum Reinickendorf
dauerausstellung germanisches-gehöft-2 © Museum Reinickendorf
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Mit diesem einfachen Webstuhl wurden im Webhaus Textilien hergestellt.

Auf dem Freigelände des Museums befindet sich das Germanische Gehöft, eine in Ausmaß, Bauweise und Inneneinrichtung original nachgebildete Wohnanlage der Semnonen.

Der Germanenstamm der Semnonen war von ca. 500 v. Chr. bis ca. 500 n. Chr. im Berliner Raum ansässig. Am Waidmannseck und auf dem Mühlenberg, unweit vom Museum, hat man Spuren germanischer Siedlungen gefunden.

Hauptgebäude des Gehöfts ist das Wohnstallhaus. Es ist 6 m breit und 15 m lang. Die Wände bestehen aus lehmverstrichenem Flechtwerk. Das Dach wird von einem kräftigen Holzpfostengerüst getragen und von Strohmatten abgedeckt. Der Wohntrakt mit Feuerstelle diente als Raum zum Kochen, Essen, Schlafen und Arbeiten.

Gegenüber dem Haupthaus steht ein eingetieftes Grubenhaus mit einer Grundfläche von etwa 12 qm. Es diente als Web- und Spinnhaus. Zweck der Vertiefung war, die für die Textilverarbeitung günstige feuchte Wärme zu erhalten.

Zwischen den beiden Häusern steht der auf Pfosten errichtete Speicher. Die erhöhte Plattform verhinderte das Heraufklettern von Schädlingen.

Vor- und Frühgeschichte

Mit dem Ende der letzten Eiszeit vor ca. 15.000 Jahren erwärmte sich das Klima im Berliner Raum. So konnte das Gebiet von unserem direkten Vorfahren, dem Homo sapiens sapiens, besiedelt werden. Spuren dieses frühen menschlichen Lebens wurden in den 1950er Jahren bei archäologischen Ausgrabungen am Tegeler Fließ entdeckt. Diese seltenen Nachweise altsteinzeitlicher Jäger- und Sammlerkulturen waren in der Paläolithforschung eine Sensation.

Es wurden mehrere Wohnplätze gefunden, auf denen mit Rentierfellen bespannte Zelte gestanden hatten, außerdem zwei altsteinzeitliche Vorratsgruben. Das Museum zeigt eine Rekonstruktion eines solchen Zeltes und das Lackprofil einer der Vorratsgruben.

Mit der Neolithischen Revolution am Ende der Steinzeit gewannen Ackerbau und Viehzucht immer mehr an Bedeutung. Durch die Entdeckung erster Metalle wie Kupfer und Gold begann auch eine entscheidende technologische Entwicklung, die sich in der folgenden Bronze- und Eisenzeit weiter fortsetzte. In den Vitrinen des Museums sind verschiedene Reinickendorfer Funde aus der Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit ausgestellt.

Sechs Dörfer

Sechs-Dörfer-Raum Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf
Sechs-Dörfer-Raum Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf

Bis ins Mittelalter hinein war das Gebiet des heutigen Bezirks Reinickendorf nur locker besiedelt. Das änderte sich ab dem 12. Jh. durch die Ostsiedlung slawischer und deutscher Herrschaftsträger. Jetzt wurden die sechs Dörfer gegründet, aus denen später der Bezirk hervorgegangen ist: Heiligensee, Hermsdorf, Tegel, Dalldorf (seit 1905: Wittenau), Reinickendorf und Lübars. Die alten Dorfkerne und ihre Anger sind bis heute erhalten. Das Museum selbst liegt direkt im Kern des mittelalterlichen Hermsdorf.

Ein Reliefmodell zeigt die Lage der Dörfer um das Fließ. Wälder, Äcker und Wiesen bestimmten bis ins 19. Jh. das Landschaftsbild. Der Wald diente nicht nur als Ressource für Holz, hier wurden auch Teer und Honig gewonnen. Zu sehen sind im Museum unter anderem das Modell eines Teerofens und einer Klotzbeute, die eine besondere Rolle bei der Bienenzucht spielte.

Das „Quitzow-Modell“, stellt eine historisch belegte Episode nach: 1411 überfielen die Quitzows, ein allseits gefürchtetes Raubrittergeschlecht, die vor den Stadttoren weidenden Herden der Berliner Bürger. Die Berliner verfolgten die Quitzows bis zur Tegeler Mühle. An der über das Fließ führenden Brücke wurden sie jedoch in einen Hinterhalt gelockt und verloren den Kampf gegen die Raubritter.

Raus ins Grüne

Raum Raus ins Grüne Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf
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Raum Raus ins Grüne Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf
Terraingesellschaft Frohnau Broschüre Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf
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Terraingesellschaft Frohnau Broschüre Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf

Die wachsenden Bevölkerungszahlen und zunehmende Enge im Berlin des 19. Jahrhunderts bewirkten einen Gegentrend: Man strebte hinaus aus der innerstädtischen Begrenztheit, hin zu den Randlagen der Großstadt, wo es noch Platz zur freien Entfaltung gab und die Natur noch spürbarer war.

Zahlreiche kleinindustrielle Betriebe etablierten sich in den Dörfern des heutigen Bezirks Reinickendorf. Mit ihnen zogen auch immer mehr Städter in den Norden, die jedoch ihre städtische Lebenskultur beibehielten: Man wohnte im Biedermeier-Stil.

Auch die Brüder von Humboldt verbrachten nicht nur ihre Jugend im „Schlösschen Tegel“, sondern nutzten den Ort später als Sommeraufenthalt und Alterssitz.

Der Ausbau des Schienennetzes führte zahlreiche Ausflügler in den Norden. „Raus ins Grüne!“ war ihre Devise. So entstanden Vergnügungsstätten: Lokale, künstliche Grotten, Springbrunnen, Musikpavillons und Badeanstalten. Im Museum illustrieren ein Biergartentisch im Birkenwäldchen und viele historische Postkarten diese Ausflugsziele.

Etwa zeitgleich wurde in Dalldorf, dem späteren Wittenau, die „Städtische Irren- und Idiotenanstalt“ eingeweiht. Auch hier galt der Trend: Raus ins Grüne! Acht Fotografien von Albert Schwartz aus dem Jahr 1885 zeigen die Institution.

Weitere historische Fotografien, Parzellierungspläne und Dokumente belegen die Gründung der Gartenstadt Frohnau im Jahre 1910.

Im Raum Raus ins Grüne wird deutlich, wie sich die sechs Dörfer zu Vororten und schließlich zu einem Teil der Großstadt entwickelten: zum Berliner Bezirk Reinickendorf.

Försterstube

Försterstube Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf
Försterstube Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf

Forstwirtschaft und Jagd haben im waldreichen Bezirk Reinickendorf eine lange Tradition. Schon Friedrich I. (1657-1713) pflegte hier unter großem Aufwand seine berühmten Hofjagden abzuhalten.

In der getäfelten Försterstube des Museums werfen diverse Jagdtrophäen, Instrumente der Försterei sowie historische Postkarten und Dokumente atmosphärische Schlaglichter auf die Entwicklung der bezirklichen Försterei und Jägerei.

August von Burgsdorf (1747-1802), Forstmann unter Friedrich II., beeinflusste nachhaltig die Tegeler Waldgeschichte. Er setzte sich für eine gezielte Verjüngung des Waldes ein und verfasste zahlreiche Lehrwerke über das Forstwesen. Seine große Leidenschaft war die Jagd und die Ausbildung und Züchtung von Jagdhunden.

Eng damit verbunden ist das Reinickendorfer Schützenwesen, das im angrenzenden Ausstellungsraum vorgestellt wird. Im Bezirk gibt es heute sieben aktive Schützenvereine. Die meisten wurden um 1900 gegründet, als sich einstige Dörfer wie Hermsdorf oder Tegel zu bürgerlichen Vororten Berlins wandelten.

Und dennoch spukt’s in Tegel…

»Ihr seid noch immer da? Nein, das ist unerhört.
Verschwindet doch! Wir haben ja aufgeklärt!
Das Teufelspack, es fragt nach keiner Regel.
Wir sind so klug, und dennoch spukt’s in Tegel.«
Goethe: Faust I, 1808

Auch wer mehr erfahren möchte über den angeblichen Spuk im Tegeler Forsthaus, der 1797 die Gemüter beunruhigte, wird in der Försterstube aufgeklärt.

Handwerk

Dorfschmiede Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf
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Dorfschmiede Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf
Schumacherwerkstatt Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf
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Schumacherwerkstatt Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf

Neben den Bauern prägten im 19. Jh. vor allem die verschiedenen Handwerker das Leben in den sechs Dörfern des heutigen Bezirks Reinickendorf.
Im Erdgeschoss des Museums sind ihre Werkstätten eingerichtet. Sie geben einen Eindruck von der Arbeitsweise in den jeweiligen Handwerken. Es gibt eine Zimmermannswerkstatt, der Werkraum eines Schuhmachers, eine Buchbinderei, eine kleine Sattlerwerkstatt und eine Schmiede.

Zu den wichtigsten Aufgaben des Schmieds gehörten damals das Beschlagen der Pferde und das Schärfen von Ackergeräten. Die Ausstattung einer Schmiede mit Blasebalg, Amboss und zahlreichen Werkzeugen kann im Museum besichtigt werden.

Schulzimmer

Historisches Klassenzimmer Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf
Historisches Klassenzimmer Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf

Das historische Klassenzimmer im Museum erinnert an die ursprüngliche Nutzung des heutigen Museumsgebäudes. Alte Schulfotos, Zeugnisse und Unterrichtsutensilien – neben Gänsekiel, Feder, Schiefertafel und Griffel auch ein Rohrstock – geben Einblicke in die Geschichte des Schulunterrichts in der Mark Brandenburg.

1717 führte der „Soldatenkönig“ in Preußen die allgemeine Schulpflicht ein und ließ über 200 Schulen bauen. Sein Sohn, Friedrich der Große, gründete 1748 das Kurmärkische Küster- und Schulmeisterseminar zur Ausbildung von Lehrern. 1763 wurde der Unterricht erstmals durch ein „Generallandschulreglement“ festgelegt. Danach sollte die Winterschule von 8-11 und 13-16 Uhr abgehalten werden. Die Sommerschule war auf drei Stunden täglich begrenzt.

Doch die Regel wurde in Hermsdorf, wie in den meisten Dörfern, kaum umgesetzt. Im Sommer fiel die Schule aus, weil die Kinder zur Hilfsarbeit auf dem elterlichen Bauernhof gebraucht wurden. Auch der Lehrer hatte in dieser Zeit eigene Felder und Beete zu beackern, die seinen Unterhalt sicherten. Er blieb bis ins 20. Jh. schlecht bezahlt. Das Schulwesen wurde vernachlässigt. Klassen bis zu 99 Schülern waren keine Seltenheit.

Waschküche

Waschküche Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf
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Waschküche Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf
Arbeiterküche um 1920 Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf
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Arbeiterküche um 1920 Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf

Im Zuge der Industrialisierung um 1900 und der damit verbundenen Wohnungsnot bestanden die Wohnungen damals meist nur aus zwei Zimmern: einer Küche und einem Wohn- bzw. Schlafraum.

Die nachgebaute Küche im Untergeschoss des Museums zeigt die Einrichtung einer Arbeiterfamilie um 1920. Hier im Souterrain ist noch deutlich die Atmosphäre eines nicht elektrifizierten Haushalts zu spüren. Auch der ausgestellte Kühlschrank funktionierte mit Eis aus der Eisfabrik.

Die „Große Wäsche“ fand oftmals in der Küche statt. So ist im Ausstellgungsraum auch eine historische Waschküche eingerichtet – mit Bügeleisen, Waschzuber und Waschbrettern, verschiedenen Gerätschaften für die Handwäsche, ersten Waschautomaten, Schleudern und Wäschemangeln.

Dampfloks, Bomben, Grenzanlagen

Raum 20. Jahrhunder Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf
Raum 20. Jahrhunder Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf

Anfang des 20. Jh. setzte sich in den sechs Dörfern des späteren Bezirks Reinickendorf die Verstädterung fort. Dem Vorbild des Dampflokfabrikanten August Borsig folgend siedelten sich zahlreiche Industriebetriebe an. Arbeitskräfte zogen nach. Wohnsiedlungen wurden errichtet. Die zunehmende Verzahnung mit der Großstadt führte 1920 schließlich zur Eingemeindung nach Berlin – aus Vororten wurde ein Bezirk.

Das Deutsche Kaiserreich und der erste Weltkrieg waren vorüber. Nach den Wirren der Weimarer Republik folgten die Diktatur des Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg. Reinickendorf, der „eiserne Norden“, wurde zu einer wichtigen „Waffenschmiede“ des Deutschen Reichs, ermöglicht durch den Einsatz tausender Zwangsarbeiter, die in Lagern im Bezirk lebten. Es gab mutige Menschen, die Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime leisteten, und viele bezahlten das mit ihrem Leben. Ähnliche Schicksale erlitten die jüdischen Mitbürger.

Nach dem Krieg erlebte der Bezirk die Folgen der deutschen Teilung: Die Anwesenheit der Alliierten, die Insellage und die Berliner Mauer prägten das Leben bis zum Mauerfall 1989. Die Franzosen kamen als Besatzer und gingen als Freunde. Die Luftbrücke brachte einen eigenen Flughafen nach Tegel. In der Ausstellung erfahren Besucher auch Wissenswertes über die Nachnutzung und Zukunftspläne auf dem Geländes des ehemaligen Flughafens Tegel.

Hannah Höch Raum

Hannah-Höch-Raum Foto Claudia Wasow-Kania © Museum Reinickendorf
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Hannah-Höch-Raum Foto Claudia Wasow-Kania © Museum Reinickendorf
Hannah-Höch-Raum Foto Claudia Wasow-Kania © Museum Reinickendorf
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Hannah-Höch-Raum Foto Claudia Wasow-Kania © Museum Reinickendorf

Fast 40 Jahre lang, von 1939 bis zu ihrem Tod am 31. Mai 1978, lebte die international bekannte Künstlerin und Erfinderin der Fotomontage Hannah Höch (1889 -1978) in ihrem Haus in Heiligensee. Sie überlebte hier die schweren Jahre von Krieg und Nazidiktatur. Nach 1945 folgte ein kraftvoller Neuanfang und großer künstlerischer Freiheit mit einer Fülle von innovativen Arbeiten, die den weitaus größten Teil ihres Werks bilden. Hannah Höch wurde zur Wegbereiterin für den Aufbruch einer jungen Künstlergeneration, die nach dem Zweiten Weltkrieg an die revolutionären Utopien des Dadaismus anknüpfte.

Das Museum Reinickendorf pflegt seit Jahren kontinuierlich die Erinnerung an die berühmte Künstlerin. 2015 entstand in der restaurierten, zum Grundstück An der Wildbahn 33 gehörigen, Remise der öffentlich zugängliche Hannah-Höch-Raum „Schau(ins)fenster Hannah Höch“, der im Rahmen von  Veranstaltungen, Lesungen und Vorträgen geöffnet wird. Zudem besitzt das Museum ein mehr als 200 grafische Blätter umfassendes Konvolut von Werken der Künstlerin: Zeichnungen, Aquarelle, Gouachen, Druckgrafiken und über 30 Miniaturen, die sogenannten „Minis“, die Hannah Höch als eigenständige Gattung in Heiligensee entwickelte. Das Herzstück dieser Kunstsammlung bilden großformatige Landschafts-Aquarelle von Heiligensee und Umgebung, die um 1940 als Gegenbilder zu Krieg und Diktatur entstanden. Zu dem Konvolut gehören auch kunsthandwerkliche Arbeiten Hannah Höchs, Objekte sowie von ihr bemaltes Mobiliar aus dem Haus.

Ein Teil der Bilder und Objekte aus der Sammlung werden nun in dem neu eingerichteten Hannah Höch Raum im Museum Reinickendorf dauerhaft gezeigt. Darunter befinden sich Werke aus ihrer frühen Zeit, darunter eine Zeichnung von 1916. Auch Fotografien von namhaften Fotografen wie Stefan Moses, Floris M. Neusüss und Manfred Hamm, die Hannah Höch porträtierten, sind zu sehen. Der Raum gibt einen Einblick in die Lebenswelt von Hannah Höch, insbesondere aus ihrer Zeit in Heiligensee. Die Auswahl der Arbeiten steht stellvertretend für die Vielschichtigkeit ihres Werkes, das sich zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit bewegt.

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Hier finden Sie die Broschüre „Hannah Höch im Museum Reinickendorf“ zum Download >>>

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Digitale Veranstaltungen im Hannah Höch Raum finden sich auf YouTube.

Literarische Miniaturen von Raimund Petschner zu Miniaturen von Hannah Höch. Zur Lesung von Raimund Petschner und Gespräch mit Claudia Wasow-Kania im Sommer 2020 >>>

Praxis Lindenberg

Wladimir Lindenberg Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf
Wladimir Lindenberg Foto Patricia Schichl © Museum Reinickendorf

Wladimir Lindenberg (1902-1997), im zaristischen Russland geboren und aufgewachsen, war Arzt, Philosoph, Künstler und Schriftsteller. In seinen Vorträgen und Schriften beschäftigte er sich sowohl mit medizinischen als auch philosophischen Themen. Von 1944 bis zu seinem Tod im Jahr 1997 lebte er in Heiligensee.

Schon in den 1940er Jahren behandelte Lindenberg erfolgreich mit alternativen Heilmethoden. Sein Ruf als Arzt zog immer mehr Patienten aus ganz Deutschland an. Sein bescheidenes Holzhaus entwickelte sich aber auch zum kulturellen Treffpunkt für Künstler und Mitglieder des russischen und deutschen Adels.

2004 kam ein Teil seines Nachlasses ins Museum: Bücher, von Lindenberg selbstgestickte Wandteppiche, Fotos, Möbel und weitere kleine Objekte. Mit diesen Exponaten konnte im Museum Lindenbergs Arbeitszimmer authentisch nachgebildet werden – mit seinem Schreibtisch, der Bücher- und der Sitzecke, wo er Patienten und Gäste empfing.

Lapidarium

daueraussstellung lapidarium
caption daueraussstellung lapidarium

Als am 25. Oktober 1972 das Tegel-Center in der Gorkistraße eingeweiht wurde, eröffnete gleichzeitig der Berliner Galerist Konrad „Jule“ Hammer (1926-1991) im dortigen Innenhof eine außergewöhnliche Sammlung: das Straßenmöbelmuseum.

Dafür hatte er unter anderem historische Hydranten, Pumpen, ein Alt-Berliner Pissoir, Laternen, Briefkästen, aber auch Fassadenteile und Fragmente von Skulpturen aus ganz Berlin zusammengetragen. Konrad Jule Hammer prägte mit seinen oftmals provokanten und humorvollen Ideen und Aktionen wie kaum ein anderer das kulturelle Leben Berlins. Er studierte Germanistik, Theaterwissenschaften, Volkskunde und Politologie und war fünf Jahre persönlicher Referent des damaligen Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt, bis er seine Galerie im Haus am Lützowplatz und die Galerie im Europa-Center gründete. Er galt als Entdecker und Förderer von Talenten und bot künstlerischen Randgruppen ein breites Forum. Mit seinen Ideen verstand er es viele Menschen anzuziehen und zu begeistern, stets seinem Credo folgend „die Kunst breiten Schichten zugänglich zu machen“. Bei der Suche nach Objekten für das Straßenmöbelmuseum erhielt er Unterstützung von vielen Stellen, unter anderem vom Berliner Senat, besonders von den Ämtern für Denkmalpflege und Gartenbau und vom Referat für Stadtbildpflege. Auch Privatpersonen waren aufgerufen, das Freilichtmuseum mit Spenden historischer Objekte zu bereichern. Das Tegel-Center sollte nicht nur als ein Einkaufscenter fungieren, sondern gleichzeitig als kultureller Treffpunkt dienen. Neben dem Freilichtmuseum war ursprünglich ein Skulpturenpfad zum Schloss Tegel geplant. Weitere Pfade nach Lübars oder zum Märkischen Viertel sowie eine Alt-Berliner-Weißbier-Galerie im Einkaufscenter waren angedacht, wurden aber nicht realisiert. Nach dem großen Interesse der ersten Jahre geriet das Straßenmöbelmuseum mit der Zeit nahezu in Vergessenheit. Die inzwischen unsachgemäße Aufbewahrung der Objekte führte stellenweise zur Gefährdung der noch vorhandenen Artefakte. Der Verbleib einiger Objekte ist nicht mehr nachzuvollziehen. Um dem Verfall und dem Schwund des ehemaligen Straßenmöbelmuseums entgegenzuwirken, wurde auf Initiative des Museums Reinickendorf innerhalb von drei Jahren ein Großteil der Exponate in den Garten des Museums transloziert und hier im neuen Kontext wieder aufgestellt. Unterstützung erhielt das Museum unter anderem vom Gartenbauamt, von der Tegel Center AG, dem Förderkreis für Bildung, Kultur und internationale Beziehungen Reinickendorf e.V., RMS Restaurierung und der HGHI Holding GmbH. Seit 2015 befinden sich die verbliebenen Skulpturen, Fassadenteile, Skulpturenfragmente und andere Straßenmöbel im Garten des Museums und auf der Wiese vor dem Museum.

Mit der Neuaufstellung des historischen Café Achteck – ursprünglich als sogenannte Stehanstalt genutzt, wurden die Anlagen von den Berlinern aufgrund des achteckigen Grundrisses bald charmant als Café Achteck bezeichnet – auf der Wiese vor dem Museum Reinickendorf am 26. April 2022 wurde die Sammlung um ein weiteres Exponat ergänzt. Damit kehrt nach langen Restaurierungsarbeiten das letzte Objekt in neuem Glanz in die Sammlung zurück und soll, wie schon bei Jule Hammer, als Informationspavillon fungieren.

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